Sonntag, 22. Oktober 2017

The Way of Legends


Burgos «The Way of Legends»
13. – 21. Oktober 2017
 

Strecke:                 Ultra Stage Race 254 km
                              +6860 /  -7195 Höhenmeter
                   

Rang:                     Kategorie M:            7. von   14 gestarteten
                               Overall:                    9. von   23 gestarteten

Zeit:                        31:33:04                   7.27/km   

Start  Nummer:       23

 



Homepage: The way of legends             http://burgosultrastagerace.com/      



Tag 1 Sonntag, 15. Oktober 

Die Legende der verlorenen Stadt Bravum
The Legend of the indomitable lost City of Bravum

Die Eroberung Hispaniens durch die Römer dauerte 200 Jahre.  Von 219 v. Chr. bis 19 v. Chr. Die letzten keltischen Stämme des Nordwestens hielten jahrzehntelang durch.  Diese Stämme waren äußerst aggressiv und wurden als unbeugsam bezeichnet. Die Kämpfe waren so brutal und der Widerstand so heftig, dass sieben römische Legionen in Dienst gestellt wurden. Der Verlust an Menschenleben war so hoch, dass viele römische Soldaten sich weigerten zu kämpfen. Schließlich kam Kaiser Augustus persönlich 26 v. Chr. zum Heerführer und durch seine Führung errichteten die Römer für die nächsten sieben Jahre eine permanente Belagerung der verbliebenen Hügelkastellstädte. Dies bis die letzten keltischen Stämme schließlich besiegt und die "Pax Romana" auferlegt wurde.
Die legendäre Festungsstadt Bravum am Rande der Kantabrischen Berge im Nordwesten von Burgos war während der römischen Eroberung berüchtigt, da sie jahrzehntelang gegen die anhaltende Belagerung ankämpfte und der Ursprung des Guerilla-Widerstands war. Doch als Augustus den letzten Vorstoß anführte, fürchteten die freiheitsliebenden Krieger des Turmogi Clans das Unvermeidliche und zogen es vor, zu sterben, indem sie giftige Eibenbaumsamen verzehrten, anstatt von den Römern geschlachtet oder versklavt zu werden. So verschwand die Stadt eines Herbstes spurlos und liess die Römer verwirrt zurück. Die Krieger mögen den Tod der Sklaverei vorgezogen haben, aber ihre Familien verschwanden mit den Knochen ihrer Helden und einigen lohnenswerten Besitztümern in den engen Tälern und steilen Schluchten des Oberlaufes des Ebro-Flusses, aus dem ihre Vorfahren ursprünglich stammten.
 
48 km von der keltischen Festungsstadt Ulaña bis zum Dorf Sedano
Die erste Etappe beginnt an der historischen Stätte von «Castro Ulaña», der größten keltischen Festungsstadt Spaniens und führt nach Norden in Richtung eines Hochmoores, vorbei an den wunderschönen Schluchten des Rudron-Flusses. Auf antiken Pfaden führt die Etappe die steilen Canyon Wände hinauf und hinunter, vorbei an einigen wunderschönen mittelalterlichen Dörfern, wo sie an dem 6000 Jahre alten Dolmen Megalith «Valdemuriel» vorbeiführt. 
 
 
Manu und die Druiden


Tagwache um 5.45 Uhr. Ich habe recht gut geschlafen, Nervosität hat sich in diesen Stunden vor dem Rennen bei mir noch keine bemerkbar gemacht. Ob das wohl ein gutes oder schlechtes Zeichen ist?
Wir reisen im «Schweizer Bus» an den Start. War uns etwas peinlich, dass wir fünf Schweizer separat einem Kleinbus zugeteilt wurden. Aber aus logistischen Gründen war das nötig. Und was wir auch noch feststellen mussten, auch die Spanier können sich in ihrer Heimat verfahren. Jedenfalls musste der ganze Konvoi 2 km vor dem Stargelände nochmals wenden und mit ca. 10 Min. Verspätung sind wir dann im Startgelände angekommen.  Zwei Druiden empfangen uns und zusammen mit Manu erzählen sie uns eine Geschichte von Kriegern und Helden. War echt etwas mystisch da so im dunkeln Wald mit den zwei «Zauberer». Jeder erhält als Glücksbinger einen kleinen Tannenzweig. Ob er uns von bösen Geistern fernhält und gesund über die Strecke bringt oder  gar schnelle Beine machen soll ist nicht so ganz klar.
Das mit den schnellen Beinen sollte dann bei mir aber am ersten Tag noch nicht wirken.
Pünktlich um 08.09 Uhr schickt uns Manu auf die Strecke. Technisch soll es die schwerste und anstrengendste  Etappe der ganzen Woche werden. Bin mal gespannt.

In den neuen Tag reinlaufen
Die ersten 3 km laufe ich direkt hinter Peter her.  Dann dämmert es mir aber gleich. Das geht nicht, das ist viel zu schnell und so lass ich mich gleich, leicht erschrocken, sofort zurückfallen. Muss mich ja nicht schon die ersten Minuten selber aus dem Rennen nehmen. Ab jetzt gehe ich mein eigenes Tempo. Die ersten Kilometer fühle ich mich sehr gut und bin richtig aufgestellt. Bis zum CP1 hab ich ein mega Hoch. Hoffentlich rächt sich das später nicht noch.
Die Strecke ist bis auf die ersten drei km recht einfach zu laufen. Leicht goupiert und es geht auch nicht sehr steil hoch oder runter.  Und so Laufen wir an vielen typischen kleinen, alten und vor allem verlassenen spanischen Dörfern vorbei.

Eine von hunderten
Und schon kommt CP2 bei km 28. Wasser auffüllen und dann weiter. Aber plötzlich ist es vorbei mit lockerem Laufen. Wie angeworfen werden meine Beine schwer wie Blei und das gerade jetzt wo es endlich hoch geht. Mundi überholt mich und ich hab keine Chance mich anzuhängen.  Also doch, TOR, Swissalpine, Eigertrail, 100km Biel und Munga Trail könnten ev. doch etwas zu viel gewesen sein in diesem Jahr. Die nächsten 16 km bis ins Ziel sollten noch hart,  ja  sehr hart werden. Bei CP3 bei km 38.5 überholt mich Gitta und ich versuche erst gar nicht bei ihr dran zu bleiben. Irgendwie komme ich dann aber nach 6 Std. 28 Min doch noch ins Ziel in Sedano. Hier sind wir in einer kleinen Feriensiedlung untergebracht, die auch gleichzeitig noch Studentenhotel ist.
Beste Spanische Küche - täglich
Muss mich erstmals etwas ausruhen und eine erfrischende Dusche nehmen. Jetzt gibt es aber nur noch eines. Gut vorbereiten auf die morgige Etappe. Massage, Essen und Ausruhen. Hoffe vor allem dass sich meine Krämpfe beruhigen. Sogar beim Text schreiben auf dem Laptop habe ich dauern Anzeichen von Waden und Finger Krämpfen.
Die anderen sind alle auch gut ins Ziel gekommen. Die Zufriedenheit   äussert sich aber bekanntlich bei jedem etwas anders.

Fazit zur ersten Etappe. Erst war ich mega gut im Schuss und dann katastrophal eingebrochen.  Abhacken und hoffen, dass es morgen besser geht. We will see...
 
Tagesetappe 1             11. Rang (Overall)   /   48 km 6:25,49              
 

Tag 2  Montag, 16. Oktober  

Die Legende von Rodrigos Schatz, des letzten westgotische Königs
The Legend of Rodrigo’s Treasure, The Last Visigoth King.

Der Zusammenbruch des Römischen Reiches öffnete Hispanien für die verschiedenen Stämme Nordeuropas und Afrikas. Doch Spanien wurde schließlich von den Westgoten germanischer Herkunft übernommen. Die Westgoten brachten zweihundert Jahre relativen Friedens und sammelten während der Gründung ihres Kapitals in Toledo große Reichtümer und Schätze an. Die Prophezeiung sprach von der "Höhle des Herkules", nicht nur, wo die unermesslichen Schätze aufbewahrt wurden, sondern auch, wo das Schicksal Spaniens in Sicherheit lag.  Während jeder nachfolgende König das Ritual fortsetzte, ein neues Schloss an der Tür anzubringen. Im Jahre 710 n. Chr. wurde der edle Rodrigo König und statt einer neuen Schleuse entschied man sich, die bestehenden zu durchbrechen und in die Kammer einzutreten, um eine Darstellung des Mordes an den Westgoten und der Eroberung Spaniens durch die nordafrikanischen Invasoren zu finden. Innerhalb eines Jahres war König Rodrigo tot und wurde von Tariq Ibn Ziyad besiegt, dem Kommandeur des Kalifats der Umayyaden,  der die verbliebenen westgotischen Adligen, die mit den riesigen Schätzen nach Norden geflohen waren, jagte.
Der Legende nach soll Tariq die letzten Westgoten auf ihrer Festung in Amaya im Norden von Burgos gefangen haben, wo er sie alle erschlug und den begehrten Schatz nahm, bevor er nach Westen in Richtung Leon abbog, um die Eroberung Spaniens zu vollenden. Doch wieder einmal, wie schon 730 Jahre zuvor, hatten einige Adelsfamilien des Ortes, wie ihre Vorgänger, den Schatz genommen und verschwanden in den steilen Schluchten und Hochtälern des Ebro-Flusses. Bald darauf entstanden entlang dieser Täler frühmittelalterliche Städte mit enormem Reichtum, die Tempel und Schlösser bauten und den Grundstein für die Rückeroberung Spaniens legten. 


Vorfreude auf die zweite Etappe
  
51 km von Sedano, dem wunderschönen Adelsdorf, bis zum mittelalterlichen Städtchen Poza De la Sal
Etappe 2 verlässt das Dorf Sedano und folgt einem Pfad den Bach hinunter durch einen üppigen Wald, vorbei an wunderschönen mittelalterlichen Dörfern bis nach Valdelateja. An der beeindruckenden Felswand des Westgotischen Heiligtums vorbei wo einige Schluchten auf- und abwärts überquert werden müssen, bevor das Hochmoor erreicht wird.  Weiter vorbei  an den 4500 Jahre alten neolithischen Dolmen, die «Las Arenillas» genannt werden.

Die erste Truppe, d.h. die letzten 6 des Vortages werden um 8 Uhr losgeschickt. Um 8 Uhr ist es um diese Jahreszeit in Spanien aber noch fast dunkel und ich bin froh, muss ich nicht so früh und bei Dunkelheit loslaufen.

Die gestrigen Krämpfe haben mir dann doch noch etwas Kopferbrechen gemacht. Bin mir gar nicht gewöhnt, dass die so plötzlich kommen und vor allem auch noch bis spät in die Nacht anhalten. Hoffe natürlich schwer, dass ich heute davon verschont bleibe werde.
Pünktlich um 8.30 Uhr in der Früh, wird dann auch die zweite Truppe auf die Piste geschickt. Der Morgen ist wunderbar und wir werden heute den ganzen Tag bei herrlichem Sonnenschein laufen.


Ich versuchte gleich von Beginn weg mein Tempo zu finden, bin dann aber nach knapp 8 km mit einem Schnitt von 5.45 Uhr  doch etwas zu schnell unterwegs. Mit Mundi laufe ich bis zum ersten CP1. Ein super Trail dem Fluss entlang, ich hätte noch stundenlang so weiter laufen können. Am CP1 bei km 14 in Valdelateja war dann aber Schluss mit flach. Von hier an ging es bergauf. Und Nora mit ihrem Hund Lili meinte, dass wir Schweizer immer so schön gerade die Berge hoch laufen. Ich hab ihr dann noch zugerufen, dass das nur täuscht.....und nur nach aussen hin so locker aussieht.
Mundi verabschiedet sich dann von mir und läuft ein etwas schnelleres Tempo als ich. Mir war wichtig, dass ich mich nicht gleich wie gestern am Anfang zu fest verausgabe und dann bei km 30 einbreche. Bis jetzt läuft es jedenfalls nach Plan. Bei einer kleinen Anhöhe passiere ich ihn dann aber wieder und es scheint, dass er  Probleme mit seinem Oberschenkel hat. Ich laufe jetzt alleine weiter zum CP2 bei km 26. Die Gegend ist immer noch super schön und nach dem Canyon welchem wir morgens entlang gelaufen sind, geht’s jetzt auf ein Hochplateau / Moor. Hier oben gibt es hunderte wenn nicht gar tausende von Windrädern. Energie, die in Spanien anscheinend stark gefördert wird.
Oben auf dem Plateau angekommen zieht sich aber dann alles sehr in die Länge. Nicht unbedingt spannend und auch nicht technisch herausfordernd, man läuft dann halt einfach so weiter und macht sich keine weiteren Gedanken dazu. Bei ca. km 35 überholt mich wiederum Gitta. Ihr läuft es anscheinend immer noch sehr gut.

Irgendwann kommen wir zum Monumento Felix Rodriguez bei km 45.5. Jetzt geht’s nur noch runter. Matt, den  ich bei CP3  eingeholt habe hängt sich  in einem Abstand von ca. 500 Meter an mich an und so kommen wir zusammen beim letzten Kontrollpunkt an.
So, die letzten 4.5 km bis ins Ziel schaff ich dann auch noch, muss mich aber beim runterlaufen stark konzentrieren, dass ich nicht noch vor Müdigkeit stolpere und mich dabei verletzte. 1 km nach dem Dorf ist die langersehnte Zielankunft in einer alten Schule bzw. Schulferienanlage.

Energie pur
Geschafft. Bin froh, dass ich heute keinen Einbruch hatte.  Konnte sicher ein paar Minuten auf die Läufer vor mir gut machen und Max und Stan etwas auf Distanz halten. 

Tagesetappe 2             9. Rang (Overall)   /   51 km 6:39,20

 

Tag 3 Dienstag, 17. Oktober 2017 

Die Legende der brudermörderischen Schlacht von Atapuerca  1054 n. Chr.
The legend of the fratricidal Battle of Atapuerca in 1054 AD

Unmittelbar nach der maurischen Invasion Spaniens wurden die kleinen unbesiegten Stämme der nördlichen Berge unter dem asturischen  König Pelayo wiedervereinigt. Die nordafrikanischen Eindringlinge wurden in der berühmten Schlacht von Covadonga besiegt. Mehrere hundert Jahre lang zogen sich die verschiedenen Könige von Galicien, Asturien, León, Kastilien, Navarra und Aragonien zurück, um die zurückeroberten Gebiete wieder zu bevölkern und ihre Königreiche durch Burgen, Heiraten und Krieg zu festigen. So kam es, dass Ferdinand I., König von Leon und sein Bruder Garcia Sancho III., König von Pamplona, im Krieg waren und ihre Armeen an der Grenze ihrer Königreiche nahe dem Dorf Atapuerca im Nordosten von Burgos zusammentrafen. Ferdinand verlegte seine Armee in feindliches Territorium. Aber obwohl es nie seine Absicht gewesen war, wurde sein Bruder getötet. Natürlich nutzte er die Gelegenheit und proklamierte sich selbst zum ersten "Imperator Totius  Hispaniae" -Kaiser von ganz Spanien.
Die Legende besagt, dass die beiden Brüder sich nur auf neutralem Territorium treffen wollten, um über gewisse territoriale Differenzen zu diskutieren, aber ihre beiden Armeen verhärteten sich durch die jahrelangen Kriege gegen die Mauren. Geschnürt mit gutem lokalen Wein, begannen sie unweigerlich mit gegenseitigen Vorwürfen der Verleumdung und diese endeten sodann mit einem toten König.

47,5 km vom mittelalterlichen Städtchen Poza de la Sal bis zum historischen Dorf Olmos de Atapuerca   
Die dritte Etappe beginnt in dem wunderschönen römischen Dorf Poza de la Sal und führt nach Süden auf einem breiten Weg durch die einzigartige Landschaft von Las Torcas . Die Etappe führt durch viele kleine Dörfer und überquert einige sehr abgelegene Ländereien. Gegen Ende der Etappe führt die Route an einigen sehr exponierten Hochebenen vorbei, wo die Etappe mit der Via Italia zusammenfällt, einer 2000 Jahre alten römischen Straße. Die Etappe endet in dem lebhaften Dorf Olmos de Atapuerca, das heute nicht nur ein bedeutender Zwischenstopp auf dem Camino de Santiago ist, sondern mit prähistorischen Funden berühmt geworden ist.

 
Herrlich durchgeschlafen von 22 Uhr bis 6.40 Uhr. Ist schon fast wie Ferien. Die heutige Etappe startet von  Poza de la Sal und geht zuerst nochmals kurz zurück so wie wir auf der gestrigen Strecke ins Ziel gekommen sind. Nach dem Beschrieb von Manu soll heute alles flach sein. Naja das mit alles flach war dann schon nicht ganz so wörtlich zu nehmen.
Zu Beginn war Max mir 5 km lang dicht auf den Fersen. Abwechselnd bin ich mit Mundi gelaufen. Mal war er vor mir mal wieder ich. Am Schluss des Tages konnte ich nochmals 3-4 Min. auf ihn aufholen.
Im Grossen und Ganzen bin ich sehr zufrieden auch mit diesem Tagesabschnitt. Nach 47 km  und 5 Std. 31 laufe ich  in Olmos de Atapuerca ein.  Auch hier haben wir eine wunderschöne heimelige Unterkunft. Nach einem deftigen Essen geht’s ab zur Massage.
Eigentlich ist dieser Ort eine Pilgerhochburg auf dem Jakobsweg. Im Moment  aber wie ausgestorben.  Entweder laufen die noch oder es sind einfach keine Pilger mehr unterwegs.
Bin nun gespannt auf die morgige Etappe. Regen ist angesagt, das würde das Ganze nicht wirklich einfach machen für die grosse 52 km lange Königsetappe. Bis jetzt dürfen wir uns aber auf keinen Fall über das Wetter beklagen.  Es war in jeder Hinsicht optimales  Laufwetter.

Tagesetappe 3             10. Rang (Overall)   /   47.5 km 5:31,44

  
Luis, Manu, Maria «THE DREAM TEAM»
 
Tag 4.  Mittwoch, 18. Oktober 
 
Die Legende von St. Millan dem Eremitenkrieger und Schutzpatron von Kastilien
The legend of Saint Millan, the Hermit Warrior, Patron Saint of Castile 

In allen Religionen der Welt, in denen sich die anfänglichen Glaubensrichtungen oder Philosophien ausbreiteten und Wurzeln setzten, entstand die Person des Einsiedlers. Es waren Menschen, die eine asketische und einsame Lebensform führten, die sich auf Gebet und Meditation konzentrierte. Sie wurden oft nach spirituellen Ratschlägen befragt und als heilig angesehen, da sie die Praktizierenden der reinsten Form ihrer jeweiligen Religionen waren. Jahrhundert n. Chr. nahm ein junger Priester, der Sohn eines Schäfers, den asketischen Lebensstil der Einsiedler in den üppigen Wäldern der Sierra de la Demanda  im Osten von Burgos auf. Der Einsiedler Millan baute eine Zelle in einen Felsen und lebte dort vierzig Jahre lang in der Einsamkeit bis zu seinem Tod im Alter von 101 Jahren. Er war bekannt und hatte viele Anhänger, meist war er so begehrt, dass er sich tiefer in die Berge wagen begeben musste, um Frieden und Ruhe zu finden. Er wurde in der Zelle begraben, in der er gelebt hatte. Für Jahrhunderte wurde sein Grab zu einem Ort der Anbetung und Pilgerfahrt. Millan war ein äußerst bewunderter und verehrter asketischer Einsiedler aus der Zeit der Westgoten.
Viele Jahrhunderte später jedoch tauchte der legendäre Heilige Millan bei der entscheidenden Schlacht von Simancas  im Jahre 939 n. Chr. wieder auf. Der Legende nach erschien der Heilige Millan auf einem weißen Pferd und trug sein Eremitenkleid. Viele feindliche Soldaten wurden mit seinem Schwert getötet und das Schicksal der Schlacht änderte sich. Aufgrund dieses legendären Kampfsieges und anderer Wunder ließ die Stadt San Millan in seinem Namen ein riesiges Kloster errichten, in dem seine sterblichen Überreste ruhen und zum Schutzpatron von Kastilien ernannt wurden. Auch der höchste Gipfel dieser Bergkette wurde nach ihm benannte.

52,5 km von den mittelalterlichen Schlachtfeldern von Atapuerca bis zum Bergdorf Pineda de la Sierra
Etappe 4 führt am «Camino de Santiago» entlang und vorbei am Kloster von San Juan de Ortega. Weiter geht es durch einen wunderschönen Wald vorbei am Dorf Alarcia.  Hier wartet ein langgezogener Aufstieg auf die Läufer bis hoch auf den Gipfel des Trigaza Berges. Über einen schroffen Pfad erreicht man anschliessend den Gipfel des San Millan Berges, von wo aus es dann entlang der Südseite des Berges hinunter zum Dorf Pineda de la Sierra weiter geht.
 

Neolithische Dolmen

Heute stehen die meisten mit einem etwas komischen Gefühl auf. Nach dem Frühstück wird das ganze Equipment kontrolliert. Alles muss heute dabei sein. Gewicht sparen geht auf keinen Fall.
Die Wetterprognosen zeigen 40% Regen ab 10 Uhr an. Und auch die weiteren Prognosen für diesen Tag, sollten uns noch mehr Regen, Kälte und Wind bringen.
Zum Start ist es noch angenehm mit ca. 13-15 Grad. Max hat heute Geburtstag.
Wir starten pünktlich um 8.30 Uhr und man markt jetzt dem einen oder anderen bereits an, dass man schon einige Laufkilometer  in den Beinen hat.
Ich laufe bis etwa km 20 zusammen mit Mundi, dann wird es mir aber etwas zu schnell. Jetzt regnet es bereits seit gut einer Stunde und es sieht überhaupt nicht danach aus, als das es sich bessern sollte und auf einen Schlag wird es auch kühler. Beim Kontrollpunkt km 27 wechsle ich mein T-Shirt und zieh mir noch Ärmlinge gegen die Kälte an. Auch die Wasserfeste Jacke gehört nun definitive zu meinem Renntenue. Jetzt geht’s bis km 38 fast 1000 Höhenmeter hoch. Es läuft sehr gut und ich merke, dass das  eher mein bevorzugtes Terrain  ist.
 
Kein noch so schlechtes Wetter kann uns aufhalten

 
Es wird nun aber ganz schön kalt und vor allem der Wind geht gewaltig und bringt die Temperatur an die 0 Grad ran. Auf dem Gipfel trinke ich nur eine Cola und wärme mir die Finger. Es macht keinen Sinn jetzt länger hier zu verweilen. Nochmals geht es gut 450 Höhenmeter hoch bevor es dann auf den langgezogenen Abstieg geht. Nach gut 7 Stunden und 21Minuten komme ich ins Ziel. Auch wenn es sehr kalt war und praktisch durchgeregnet hat, hat mir die Etappe bis auf die ersten 20 km sehr gut gefallen. Technisch sehr anspruchsvoll und die ganze Konzentration wurde gefordert. Einziger Wermutstropfen war die fehlende Aussicht vom höchsten Punkt Trigaza aus.  

Tagesetappe 4             7. Rang (Overall)   /   52.5 km 7:17,14
 
Die Königsetappe ist geschafft

 
5. Etappe Donnerstag, 19.10.17

Die Legende von «El Cid», dem Söldnerritter und epischen Helden
The Legend of «El Cid», The Mercenary Knight and Epic hero

Der Adelige Ritter Rodrigo Diaz der an der Seite der Könige von Kastilien große Berühmtheit erlangte,  wurde unweit der Stadt Burgos geboren. Mit diesem hatte er jedoch mehrere Streitigkeiten, da er oft in der Schlacht allein handelte oder die Wünsche des Königs missachtete.  Er wurde ins  Exil verbannt und hatte keine andere Wahl, als Söldner zu werden.  Dabei hat er oft mit oder gegen die Armeen des Kalifats gekämpft. Rodrigo Diaz wurde von den Mauren «El Cid »genannt, als er anfing, Städte und Territorien in Andalusien von sich aus ohne den Segen eines Königs zu erobern. Im Jahre 1094 eroberte er selbständig die Mittelmeer-Stadt Valencia und proklamierte sich selbst als Prinz Rodrigo Campeador «El Cid». Bevor er starb, hatte er seine beiden Töchter mit sehr prominenten Adligen verheiratet und damit seine Blutlinie in der spanischen königlichen Linie gesichert.
Der legendäre «El Cid» ist einer der populärsten spanischen Helden. Obwohl es viele Kontroversen über seine Motive und Taten gibt, gibt es keinen Zweifel an seinem legendären Talent auf dem Schlachtfeld und damit an seinem Titel «El Campeador», was wörtlich übersetzt so viel bedeutet wie «Experte in der Taktik offener Schlachten».
Legendär ist auch die fast nie enden wollende Reise seiner Knochen nach seinem Tod. Zunächst wurde er in Valencia begraben, zwei Jahre später wurden seine sterblichen Überreste jedoch von seiner Frau ins Kloster San Pedro Cardeña in Burgos gebracht. Dort wechselte er im Laufe der Jahrhunderte mehrmals seinen Platz, bevor er 1808 während des Unabhängigkeitskrieges von Napoleons Soldaten eingenommen und in Burgos begraben wurde. Einige Jahre später wurde er im selben Kloster wieder beigesetzt und nach der Plünderung des Klosters im Jahre 1842 wieder ins Rathaus verlegt. Schließlich wurden seine sterblichen Überreste 1921 mit denen seiner Frau in der Kathedrale von Burgos begraben.

42 km vom Bergdorf Pineda de la Sierra zum Kloster San Pedro Cardeña
Die 5. Etappe beginnt im Dorf Pineda de la Sierra und verlässt die Berge entlang einer stillgelegten Eisenbahnlinie welche durch einen schönen Wald am Rande zweier großer Seen führt. Geht dann an kleinen Dörfern vorbei und passiert einige kleine Hügel hinauf und hinunter, bevor sie schließlich das Kloster San Pedro de Cardeña erreicht.
 
Jakobsweg «Camino de Santiago»
Nachdem es gestern Abend noch einen kleinen Geburtstagskuchen für Max gab der seinen 61. feiern durfte,  lag ich um 21.30 Uhr im Bett. Heute hatten wir einen achter Schlag was sich vor allem bei den Luftverhältnissen im Zimmer bemerkbar machte….
Pünktlich um 8.30 Uhr ging es los. Das heutige Startwetter war zwar nicht unbedingt einladend um auf die Strecke zu gehen. Kalt, feucht zum Glück aber keinen Regen.
Wir rennen von Pineda de la Sierra los, alles flach. Nach der gestrigen 4. Etappe hat sich die gesamt Rangliste relative klar bestätigt. Die Plätze sind mehr oder weniger gegeben und nun werden diese wohl bis ins Ziel verteidigt werden müssen oder es gibt heute noch letzte Kämpfe darum. Mundi kann ich nicht mehr einholen.
Max läuft meistens vor mir. Einige Male überhole ich ihn aber er kann immer wieder aufschliessen. Er ist heute mein interner Kampfpartner. Die Gegend ist sehr schön und lieblich. Der Nebel verzieht sich langsam und die Herbstsonne drückt nun wärmend durch. Aber richtig heiss wird es trotzdem nicht. Jacke an...Jacke aus.
 
Nora und Lili, unzertrennlich
 12 km vor dem Ziel überholt mich Gitta und Max ist dicht  hinter mir. Jetzt könnte es passiert sein.  Werde kaum an Gitta dran bleiben können. Dann motiviere ich mich aber nochmals und gebe Gas. Irgendwie muss ich jetzt schon noch etwas tun für meinen 9. oder 8. Schlussrang. Zum Glück geht es die letzten 5-6 km noch etwas hoch. Nicht gewaltig aber ich merke, dass ich jetzt im Vorteil bin. Auch Mundi kommt in Reichweite. Hätte ich nicht gedacht. Jetzt gebe ich alles und lass beide stehen. Happy komme ich dann im Ziel an. Die Cracks sind etwas erstaunt mich schon zu sehen. Ich glaube aber in den  letzten Tagen hab ich mir als zweitältesten Mann schon etwas Respekt verschafft. Ein Rennen ist halt nicht nach der ersten Etappe beendet sondern erst nach der zweitletzten. Normalerweise ist es bei den Läufern so, dass am letzten Tag nicht mehr gross angegriffen wird sondern wie an der Tour de France man zusammen oder mit geringem Abstand dann ins Ziel läuft. Peter ist natürlich wieder einsame Spitze. Keine Schwäche ist ihm anzusehen und sein Vorsprung auf die Verfolger wächst von Tag zu Tag.

Oscar Martin
Nach der Massage lernen wir noch Oscar Martin kennen. Ein namhafter Künstler in Spanien der auch die Medaille kreiert hat. Diese hat zwei Bedeutungen. Wenn man sie auf der einen Seite betrachtet sieht sie aus wie eine Rittermaske. Umgekehrt wie ein aufsteigender Phoenix. 

Vor dem Nachtessen gibt’s noch eine Klosterführung. Hübsch aber ich kann mir all die Mönche und Herrscher einfach nicht merken.
 
 
 
Freue mich jetzt auf die morgige Schlussetappe. 13 km bis ins Ziel da werde ich nochmals Gas geben im Wissen, dass die Plätze ja vergeben sind.  

Tagesetappe 5             6. Rang (Overall)   /   42 km 4:31,08

 
Swiss Team letzter Start


6. Etappe Freitag, 20.10.2017 

Der sagenumwobene «Camino de Santiago»
The Legendary  «Camino de Santiago» 

Der Camino de Santiago (Jakobsweg) hat seinen Ursprung in vorrömischer Zeit, als sich die Menschen der keltischen Stämme von Nordspanien, Frankreich und weiten Teilen Nordeuropas nach Finisterre  dem  «Land am Ende» der Küste Galiciens begaben. Diese Menschen, die intensiv mit der Natur und ihren Zyklen verbunden waren, verehrten die Sonne und den Mond. Auf der Suche nach einem tiefen spirituellen Erlebnis wanderten sie zum westlichsten Punkt Europas und beobachteten den Sonnenuntergang «Tod der Sonne» über dem endlosen Wasser des Atlantischen Ozeans.
Die Geschichte geht während der römischen Besetzung Hispaniens weiter, als Jakobus der Große, einer der ursprünglichen Apostel, eine Zeitlang in Galicien predigte und lebte, bevor er 44 n. Chr. nach Palästina zurückkehrte, wo er von König Herodes enthauptet wurde und als erster Apostel zum Märtyrer wurde. Die Legende besagt, dass seine Überreste von seinen Anhängern per Boot zurück nach Galicien gebracht und irgendwo im Landesinneren vergraben wurden. Viel später, im frühen 9. Jahrhundert sagt die Legende, dass ein Einsiedler die Überreste des heiligen Jakobus gefunden habe. Mit dem Segen des Papstes Carlo Magno wurde der Pilgerweg zur Verehrung seines Grabes eingerichtet. Im Mittelalter wurde der Jakobsweg weitläufig befahren und wurde nicht nur zu einem Pilgerweg, sondern auch zu einer Verbindungsstraße und vor allem zu einer gut etablierten Grenze zwischen den arabischen Kalifaten und den römisch-katholischen Königreichen.
Der Jakobsweg Camino de Santiago wurde in den 1990er Jahren wieder international bekannt, als er zum Weltkulturerbe und zur europäischen Kulturroute erklärt wurde. Der Pilgerweg hat in den letzten Jahrzehnten seinen legendären Status zurückgewonnen, indem er sich als eine moderne spirituelle Reise für Menschen vieler Kulturen und Glaubensrichtungen etabliert hat. Seine Popularität nimmt rapide zu und es wird geschätzt, dass 500`000 Menschen aus der ganzen Welt 2016 die Pilgerfahrt vollendeten.

13 km vom Zisterzienserkloster San Pedro Cardeña zum Weltkulturerbe der Kathedrale von Burgos
Etappe 6 verlässt das Klosters San Pedro Cardeña und folgt seinen Außenmauern zum Fluss Arlanzon, wo der Weg in den «Camino de Santiago» mündet. Die beliebte Route führt dann entlang des Flusses bis zu den Stufen der Kathedrale im Zentrum von Burgos. 
 
Auf dem Weg nach Burgos zum Ziel

Heute steht die letzte Etappe an. Alle sind irgendwie entspannt denn die letzten 13 km können nicht mehr wirklich als die grösste Herausforderung gelten.
Nachdem wir gestern Abend noch dem Mönchschor gelauscht haben, habe ich wiederum herrlich  durchgeschlafen. Herrlich, so müssen Ferien sein.
 
«KAEM Team» Lucia, Edward, Annie, Ste
 
Start war heute für die erste Gruppe um 9.30 Uhr und für uns um 10 Uhr. Zuerst ging es ganz gemütlich los. Alle haben irgendwie gebummelt und geplaudert.  Max hat dann das Tempo etwas angezogen und Peter und ich sind ihm gefolgt. Ritchard kam dann dazu und man hat es gemerkt, er wollte diese Etappe unbedingt gewinnen. Das hat er schlussendlich auch. Peter ist ihm auf den Fersen geblieben und ich bin knapp 40 Sekunden  nach ihnen in Burgos ins Ziel gekommen. Super auf der letzten Etappe habe ich noch den 3. Platz erlaufen. Bin sehr Happy es geschafft zu haben.



Welcome to Burgos 

Nach vielen Fotos und Umarmungen sind wir dann nachmittags noch etwas durch Burgos geschlendert und haben uns erst beim Apero und dann beim Mittagessen den Bauch mit Kohlenhydraten gefüllt. Etwas später, zusammen mit den Engländern, haben wir den Nachmittag dann bei ein paar Bierchen abgerundet.
Die Siegerehrung und ein kulinarisch tolles Nachtessen haben den letzten Tag erfolgreich beendet. Die Übergabe der speziellen Medaille sowie des Zertifikates von Oscar Martin, waren wirklich ein ganz toller Abschluss dieser schönen Woche.
 

 
Ein Woche in der ich wiederum mit vielen gleichgesinnten aus der ganzen Welt meinem Hobby frönen durfte. Es war eine besonders tolle Truppe. Wir haben uns alle hervorragend verstanden und wurden vom ganzen Staff Team pausenlos verwöhnt. Eine grossartige Leistung die die freiwilligen Helfer uns da geboten haben. Ihnen und Manu mit seinem OK Team gilt ein ganz besonderer Dank für dieses einmalige Erlebnis.


 
Tagesetappe  6            3. Rang (Overall)   /   13 km 1:07,49 


Staff Team - Thanks for the good job



Happy finishers



 
Schlussrangliste

  

Sonntag, 10. September 2017

TOR des Géants 2017



«Tor des Géants» Endurance Trail 
Valle D`Aosta 10. – 17. September 2017

 
 

Facts and Figures

 

Startnummer: 1737

Strecke:          339 km                                            Laufzeit: 133:05.28 Std./Min.
Höhenmeter:  +/-30`908                                         km/h: 23:33

 

Start:                                                                       Zieleinlauf:
Sonntag, 10.9. 10.20 Uhr                                       Freitag, 15.9. 23.25 Uhr        

 

Rang Overall:
220 von 867 M+F  (CH: 9 von 25)                          Ausgeschieden: 406 (46.83%)

Rang V2 (Jhg. 50-59):
54 von 225 (CH: 5 von 11)                                      Ausgeschieden: 123 (54.67%)

 

51 Verpflegungsposten
davon 7 grosse Life Bases                                     2000 Helfer + Helferinnen  

 

 

 


TOR? Bevor es los geht!

 

Tor des Géants. Ein Lauf der in der Lauf- bzw. Trail Szene wenigen sehr bekannt, den meisten aber unbekannt ist. Man sagt auch, dass der TOR einer der längsten und härtesten Nonstop Trail Läufe der Welt sei. Vor acht Jahren, 2010 fand die erste Austragung dieses Extrem Laufes statt. Ich hatte lange keine Ahnung vom TOR und was das für ein Lauf sein sollte. Erst als vor ein paar Jahren unsere bekannteste Trail Läuferin, Denise Zimmermann einmal dritte wurde und im Jahr 2016 den Lauf sogar gewonnen hatte wurde ich auf ihn aufmerksam. Später hat  dann mein Freund Stefan Häbler dieses Abenteuer auch unter die Füsse genommen.  Danach hab ich mich dann das erste Mal mit dem TOR so richtig beschäftigt und bin auf ihn hellhörig geworden.
 
Wunderbare Aussichten sind garantiert
 
Unvorstellbar war mein persönlicher Kommentar. Etwas das nur ganz wenige Cracks wie Denise, Stefan und ein paar andere Grössen bestehen konnten. Nicht mehr daran denken, abhacken und weiter an meinen geliebten Berg- oder Landschaftsläufen teilnehmen. Eigentlich hab ich mir danach nur noch selten Gedanken zu diesem verrückten Lauf gemacht.
2016 hat sich dann Stefan angemeldet und hat mit Bravour den TOR absolviert. Mit 108 Stunden hat er den Tor des Géants auf dem 62 Rang gefinisht!  Meine Hochachtung ist ins unermessliche gestiegen und gleichzeitig ist diese kleine Flamme der Begeisterung wieder in mir entflammt. Es war jetzt gar nicht so, dass ich gedacht habe, wenn Stefan es schafft dann müsste ich auch in die Nähe der Finisher kommen. Nein, ich kann das Leistungsvermögen von ihm und mir schon sehr gut einschätzen. Jedenfalls hat dann aber  wieder etwas in mir zu brodeln begonnen.
Meine Jahresplanung für 2017 habe ich akribisch bereits im 2016 geplant und als Höhepunkt stand für mich in diesem Jahr der Munga Trail «The toughest race en earth» im April ja bereits auf dem Programm. Ich begann zu rechnen und zu planen. Einmal einen so grossen Trainingsaufwand zu betreiben, wäre ja schade wenn man das nicht gleich weiterziehen würde und vor allem versucht den zweiten Saisonhöhepunkt im Herbst dann gleich mitzunehmen.
Also hab ich mir gesagt, ich melde mich mal für die Auslosung an. 10 Euro investieren ist ja nicht alle Welt und ich erwartete nicht, dass ich einer der glücklichen bin, der dann Ende Februar in der Auslosung gezogen wird. Rund 750 Startplätze werden  via Los vergeben, ca. 100 stehen Sponsoren für Spitzenathleten zur Verfügung und einige wenige sind über eine Charity noch zu einem Spezialpreis käuflich zu erwerben. Über 2500 hofften also schlussendlich unter den 850 glücklichen Startenden zu sein.       
Am 28. Februar 2017 erhielt ich dann folgendes Mail:
Ciao Keller
We are glad to inform you that you have been selected to run the Tor des Géants® 2017. From March 1st at 12.00 until March 15th at 18.00 (Italian hour) you will have time to confirm your participation. Log in on your 
100%Trail profile and proceed in paying your inscription quote. Make sure you do it until the 15th of March at 18h00. If you shouldn’t do it before the deadline you will lose your possibility to partecipate to the Tor des Géants®.
Congrats..start practicing, we are waiting for you in Courmayeur!
Wow….ich hab den Platz und sie warten auf mich…. Unglaublich, jetzt gilt es ernst. Damit hab ich nun wirklich nicht gerechnet. Neben mir wurden noch 26 weitere Schweizer aufgenommen. Darunter war auch Thomas Vetterli aus Hittnau. Wir kennen uns schon viele Jahre und sind auch schon am einen oder anderen Lauf zusammen gestartet. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir für diesen einmaligen Event auserkoren wurden.
 

Thomas und ich hoffnungsvoll vor dem Start in Courmayeur

 

Anforderungs- und Streckenprofil TOR

Das Streckenprofil des TOR ist unglaublich fast surreal für einen normalen Läufer oder Wanderer.
330 km werden angegeben. Diese Angabe, sowie die 24`000 Höhenmeter die zu bewältigen sind stimmen seit längerem so nicht mehr. Ich glaube diese Angaben sind einfach mit dem oder den ersten Durchführungen verbunden und als Runde Zahl so festgehalten. In Wirklichkeit sollten es 339 km und 30`908 Höhenmeter werden. Zu dieser Herausforderung kommt noch das Zeitlimit von 150 Stunden dazu mit diversen Cut off Zeiten auf der gesamten Strecke. Man stelle sich einmal vor, 30 km nur Steigung und gleichviel Gefälle. Für mich fast unvorstellbar wenn ich dann zurück an den Swissalpine, den Jungfrau- oder andere Bergmarathons denke. Doch um ehrlich zu sein. Den «Irontrail T201» an dem ich fünf Mal gestartet bin und drei Mal finishen konnte war auch schon mit rund 12`000 Höhenmeter gespickt. Also man rechne. 2 ½ mal die Höhenmeter des Irontrail und nicht ganz zweimal die Strecke vom T201 mit über 200 km. Das ergibt? TOR des Géants.
Naja ein bisschen hab ich mich ja schon ran getastet in der Vergangenheit….
Jedenfalls ich getraute mich kaum jemanden davon zu erzählen ohne gleich als Spinner abgestempelt zu werden.
Wenn man sich das Streckenprofil anschaut wägt man sich auf einer Berg- und Talbahn. Ein Gipfel folgt dem anderen. Total sind es über 25 Pässe welche zu besteigen sind, davon 16 die über 2500 Höhenmeter liegen. An 30 Bergseen läuft man vorbei. Die Strecke führte entlang der zwei bekannten Höhenwanderwege rund um das Aostatal. Total sind 34 Gemeinden in den Anlass involviert. 
Die Rundwanderung der Riesen ist eine regelrechte Entdeckungsreise über die höchsten und beliebtesten Gipfel Europas.
Höhenweg Alta Via 1
Der Höhenweg Nr. 1 wird auch Höhenweg der Riesen genannt. Er führt durch eine Landschaft von unvergleichlicher Schönheit am Fuße der höchsten Gipfel Europas vorbei – darunter der Monte Rosa, das Matterhorn und der Mont Blanc. Die gesamte Strecke führt von Donnas nach Courmayeur. Der Höhenweg ist nur in den Sommermonaten begehbar. In mittleren bis größeren Höhen von 2000 bis 3000 m (der Pass Col Malatrà ist 2.925 m hoch) führt er vorbei an Wiesen, Weiden, Wäldern und Felsen.

Steinböcke....
Höhenweg Alta Via 2
Der Höhenweg Nr. 2 wird auch Höhenweg der Naturschönheiten genannt. Er ist von großem landschaftlichem und botanischem Interesse, weil er größtenteils durch das Gebiet des Nationalparks Gran Paradiso und des Regionalparks Mont Avic führt.
Die gesamte Strecke führt von Courmayeur nach Donnas. Der Höhenweg ist nur in den Sommermonaten begehbar.


 
...und Gemsen 50 Meter vor mir.
Das Aostatal hat eine Fläche von 3262 km². Dies ist fast  zweimal so viel wie die gesamte Fläche des Kantons Zürich umfasst (1729 km²). Zudem ist der höchste Gipfel auf über 3300 Meter und einer der tiefsten Punkte auf 330 M.ü.M. gelegen.  
Der TOR wird in 7 Etappen eingeteilt und durchquert so das gesamte Aosta Tal entlang der genannten Höhenwege Nr.1 und N. 2. Hier die Etappen an welchen wir uns zu orientieren hatten.

Courmayeur – Valgrisenche                         50 km 4747 Höhenmeter
Valgrisenche – Cogne                                  58 km 5082 Höhenmeter
Cogne – Donnas                                          45 km 2698 Höhenmeter
Donnas – Gressoney St Jean                      54 km 6086 Höhenmeter
Gressoney St Jean – Valtournenche           33 km 3187 Höhenmeter
Valtournenche – Ollomont                           48 km 4904 Höhenmeter
Ollomont – Courmayeur                               50 km 4210 Höhenmeter

 
Bildergebnis für logo tor des geants
Also die Vorgaben für das grosse Abenteuer waren schon ganz schön anspruchsvoll und mehr als einmal hab ich mich in der Vorbereitungsphase  gefragt was das eigentlich soll.  
Neben mehrheitlich fragenden, staunenden, kopfschüttelnden Kollegen und Kolleginnen hab ich aber auch viel Unterstützung, Aufmunterung und anspornende Motivation von vielen Freunden und Bekannten bekommen.
Was mir aber eigentlich am meisten Kopfzerbrechen gemacht hat waren die doch fehlenden Trainingshöhenmeter. Nach dem Munga Lauf musste ich erst mal wieder ein anderes Gefühl vom Laufen bekommen. Da kam die «Nacht der Nächte» des Bieler 100 km Laufes gerade richtig. Nicht mehr ganz so schnell wie bei meiner ersten Teilnahme vor 9 Jahren war ich aber ganz zufrieden, dass ich mich auch auf diesem Terrain wieder gut bewegt habe. Zudem hatte ich mit Kari einen starken Unterhalter der mich mit dem Bike begleitet hat. Aber eben, keine Höhenmeter.
Mit dem Eigertrail über 101 km und etwa 6800 Höhenmeter fand ich dann aber doch noch einen guten Vorbereitungslauf. Auch der K47 von Davos gab mir nochmals ein bisschen Mut für den TOR. Grundsätzlich muss ich aber festhalten, dass es eher im unteren Bereich war mit dem Training und den absolvierten Höhenmetern für diese Herausforderung.


Auf Los geht`s los! Tor des Géants

 
Für die Tage vor dem TOR hab ich mir noch etwas Ruhe gegönnt. Am Dienstag der Vorwoche bin ich auf die Bettmeralp gereist um mich optimal an die Höhenlage anzupassen. Auch Thomas Vetterli der wie ich glücklich ausgeloster des TOR war hat sich angeschlossen. Wir verbrachten die Tage mit Ausruhen, gut Essen und ein- zwei kleineren Wanderungen. Einmal und für mich das erste Mal sind wir aufs Bettmerhorn gelaufen und von da dem Grad entlang aufs Eggishorn. Mindestens an der Höhe über Meer sollte unser Vorhaben nicht scheitern. Am Freitag ging es dann via Martigny über den Grossen St. Bernhard ins Aostatal nach Courmayeur.
Am Samstag vor dem grossen Ereignis füllte sich Courmayeur langsam und an jeder Ecke traf man Läufer und Begleitpersonen. Allen war eine gewisse Anspannung und Vorfreude anzusehen. Das Check in  ging sehr gut und glatt über die Bühne und nach einer guten Stunde hatten wir unsere Startnummern und den benötigten GPS Track. Am abendlichen Briefing erhielten wir noch die allerletzten News und nach einem gemeinsamen Nachtessen haben sich dann alle gegen 22 Uhr zur letzten hoffentlich ruhigen und erholsamen Nacht verabschiedet.
 
Ready to go
 
1. Etappe Courmayeur – Valgrisenche                 50 km 4747 Höhenmeter
Sonntagmorgen, nochmals kräftig und gut Frühstücken, Hotel auschecken und schon mal Fragen ob man ev. wieder ein Zimmer bekommt, sollte man das Ziel dann erreichen oder bereits frühzeitig ausscheiden. Pünktlich um ca. 9.30 Uhr waren wir im Startgelände. Jetzt war aber allen irgendwie anzusehen, dass da eine ganze grosse Kiste auf uns wartete. Nochmals ein Foto, ein kurzer Schwatz und um 10 Uhr waren dann alle bereit und warteten auf den lang ersehnten Startschuss. Dieser verzögerte sich aber nochmals um 20 Min. bis es dann um 10.20 Uhr endlich losging.
Unter grossem Applaus und mit viel Vorfreude setzte sich das Teilnehmerfeld (876 Startende) in Bewegung.  Hunderte von Zuschauer applaudierten der bunte Schar von Läufern aus aller Welt auf den ersten Metern durch das Zentrum zu. Es war eine total gute und aufgestellte Stimmung – die sich auch in den nächsten Tagen an allen Stationen des TOR so wiederholen sollte.
Mit Thomas und drei anderen Schweizern die wir kurz vor dem Start kennengelernt hatten ging es dann raus auf die grosse unbekannte Strecke. Mir war natürlich gleich zu Anfang schon bewusst, dass ich auf keinen Fall den Fehler machen durfte mich an Thomas oder irgendeinen anderen Läufer anzuhängen. Das wäre schlichtweg gleich mein Ende gewesen. Und so war es für mich vorerst wichtig, dass ich meinen eigenen Rhythmus finden musste. Das dauerte etwas aber so nach und nach kam ich rein. Der erste Pass, der Col Arp ist auf 2571 Meter über Meer. Das heisst, dass wir vom Start weg gleich 1300 Höhenmeter hoch liefen, so quasi als erstes Kennenlernen der Strecke. Und so wird es auch die nächsten Tage weiter gehen. Also jetzt nicht zurückschauen sondern immer weiter vorwärts. Das Wetter ist gut um nicht zu sagen sogar  optimal. Die ersten Verpflegungsposten haben wir auch bereits hinter uns und das war doch eine sehr gute und positive Erfahrung, wenn man an den weiteren Verlauf des Rennens denkt. Perfekt organisiert mit allem was man sich für eine Zwischenverpflegung so wünscht. Da gab’s absolut nichts zu meckern.
Nach dem Posten in La Thuile erfahre ich via SMS, dass sehr gute Freunde von mir, mir für jeden gelaufenen Kilometer des TOR einen Franken für mein Hilfsprojekt Ayoba garantieren. Das freute mich unglaublich aber das hiess auch klar, Aufgeben verboten!
Weiter geht’s über die nächsten Pässe und nach rund 13 Stunden laufe ich um 23.04 Uhr in der ersten Base Vita (Hauptcheckpoint) in Valgrisenche ein. Es ist einiges los hier, denn das Feld ist noch ganz kompakt und zusammen. Im Restaurant muss ich mir erstmal einen Platz erkämpfen und dann gibt’s das erste Nachtessen. Die Auswahl ist vom Besten. Kartoffeln, Schinken, Teigwaren, Reis, Salate, Früchte und vieles mehr. Sogar ein frisch gezapftes Bier lass ich mir genüsslich die Kehle runter laufen. Bin froh, dass ich das erste Teilstück nun geschafft habe und langsam werde ich innerlich auch etwas ruhiger. Habe hier, nachdem ich nach rund 1 Std. 45 Min um 00:48 Uhr wieder loslaufe doch gut sechs Stunden Vorsprung auf die Cut off Zeit. 
Zeit 1. Etappe            12:44 Std./Min.

2. Etappe Valgrisenche – Cogne  
                        58 km 5082 Höhenmeter
Die nächste Etappe wird dann aber schon etwas mehr von mir abverlangen, sind in den folgenden Stunden doch über 5000 Höhenmeter zu absolvieren. Dazu kommt der höchste Pass, der Col Loson auf 3299 Meter über Meer.
Davor geht’s aber zum Akklimatisieren zuerst über zwei andere Pässe. Der Col de Fenêtre (2840 M.ü.M.) wunderschön hier oben aber stockdunkle Nacht und sehr kalt. Dann runter auf 1738 Meter nach Rhemes-Notre-Dame. Von hier geht’s auf die Vorstufe des höchsten Punktes den Col Entrelor. (3002 M.ü.M.) Verdammt streng hat mich echt fast fertig gemacht da hoch zu laufen. Unten in Eaux Rousse hab ich dann das erste Mal eine Stunden geschlafen.

 
Bergpreis auf 3299 M.ü.M.
 
So jetzt kommt der Anstieg von 1683 auf 3299 M.ü.M. auf den Col Loson. Angeschrieben sind hier 4:30 Std. bis hoch zur Spitze. Ich schaffe es in exakt 4:35 auf den höchsten Punkt dieser Tour. Wunderschöner Ausblick, nur schon dafür hat sich der happige Aufstieg gelohnt. Nun geht’s runter bis nach Cogne auf 1531 Meter. Ganz schön happig dieser Abstieg. Aber das sollte noch oft der Fall sein  bis ins Ziel. Man denkt sowieso immer wenn es Bergan geht, oh hoffentlich geht’s bald wieder runter. Aber beim runter Laufen wünscht man sich dann, dass es doch bald wieder hoch geht. Man kann es anscheinen den Läufern nie recht machen…Um  20:10 Uhr komme ich am Montagabend in Cogne dem Ende dieser Etappe an. Immerhin schon 106 km, knapp ein Drittel geschafft. Nach wiederum super guter Verpflegung lege ich mich hin und möchte etwas Schlafen. Klappt irgendwie nicht und so nehme ich eine Schlaftablette. Das sollte sich dann später noch als grosser Fehler herausstellen. Einschlafen klappt nicht und so packe ich meine Sachen zusammen und mache mich um 22:37 Uhr auf den weiteren Weg.
Zeit 2. Etappe            19:22 Std./Min.
 
Einem weiteren Pass entgegen
 
3. Etappe Cogne – Donnas                        45 km 2698 Höhenmeter
Vom Profil und den Höhenmetern her, sollte das eine leichtere Etappe werden. Aber genau in den folgenden Minuten als ich losgelaufen bin fängt die Schlaftablette an zu wirken. Bis nach Champorcher wo ich um 07:56 Uhr ankomme laufe ich wie in Trance. Ich kann mich nicht mehr erinnern wo ich genau durchgelaufen bin. Die Augen sind immer wieder schwer geworden und runtergefallen. Musste mich oft auf den Stöcken abstützen und ein paar Sekunden Ruhen und wieder Sammeln bevor es weiter ging. Habe dann irgendwann gegen 05:30 Uhr mich an einem Posten niedergelegt und eine Stunde geschlafen. Um 12:11 Uhr bin ich in Donnas eingelaufen. Donnas liegt auf dem tiefsten Punkt der Tour auf 330 M.ü.M. Hier hab ich mir eine Dusche gegönnt. Kurz hingelegt und nochmals eine Stunde geschlafen.
Diese Etappe war zwar auf dem Papier die einfachste aber mit meinem Schlafproblem hat sie mich doch ganz schön gestresst. Bin froh, dass ich jetzt etwas ausgeruht das nächste Teilstück  in Angriff nehmen kann.
Zeit 3. Etappe            13:34 Std./Min.
 
4. Etappe Donnas – Gressoney St Jean               54 km 6086 Höhenmeter
Und jetzt kommt das Herzstück oder Filet des TOR mit 6086 Höhenmetern. Beim Eigertrail hat man fast die doppelte Kilometerzahl dafür zur Verfügung!!!  Aber jetzt nicht «Weicheiern» ich wollte das so und das wird jetzt in Angriff genommen. Nennt man Eigenmotivation. Zeit zum sinnieren und nachzudenken hat man ja während dieser Ferienwoche mehr als genug.
Ich starte in Donnas am Dienstag um 14.17 Uhr und werde für die 54 km bis nach Gressoney fasst 24 Stunden benötigen.
Erst passierten wir Weinberg oberhalb von Donnas und weiter geht’s vorbei an einer herzigen kleinen Kapelle, immer hoch bis auf 2224 Meter zum Rif Coda. Dann wieder runter und nun folgte ein endlos werdender Aufstieg in der Dunkelheit bis zur Berghütte auf dem Pass Balma. Diese Berghütte ist sehr modern und es scheint mir, dass sie erst vor kurzem eröffnet wurde. Der Aufstieg war sehr streng und nun gönne ich mir zwei Stunden Schlaf. Was ich beim Hinlegen nicht bedacht habe, war die begrenzte Ruhezeit. An allen Posten ausser den Hauptcheckpoints durfte man ein Bett nur für zwei Stunden in Beschlag nehmen. Es war «bruttalo» so aus dem Tiefschlaf gerissen zu werden. Um ca. 03.30 Uhr machte ich mich dann wieder auf den Weg. Eine klare aber auch sehr kalte Nacht erwartete mich. Trotzdem ist es wunderschön so nahe an den Sternen über die Gipfel zu laufen. Am Nachmittag um 13.58 Uhr treffe ich dann mit 6086 Höhenmetern in den Beinen in Gressoney ein. Heinz aus Muri mit dem ich bereits einige Abschnitte gelaufen bin ist kurz vor mir eingetroffen. Wir verpflegen uns und nach einer wohltunenden Dusche lege ich eine kurze Schlaf- oder besser gesagt Ruhepause ein. Schlafen geht leider auch nicht immer so auf Kommando. Trotzdem tut es dem Körper gut wenn er sich nach einer guten Verpflegung mindestens etwas ausruhen kann. Den Rest übernimmt dann das Koffein aus Kaffee und Coca-Cola. Bin aber nun auch schon etwas stolz, dass ich bereits gut 206 km geschafft habe. Einmal Irontrail. Mir ist aber auch bewusst, dass das noch nichts ist. Es sind immer noch über 130 km zurückzulegen.
Zeit 4. Etappe            23:41 Std./Min.
 
Beste Polenta die ich je hatte
 
5. Etappe Gressoney St Jean – Valtournenche   33 km 3187 Höhenmeter
Nachdem ich zum xigsten Mal meine gelbe Tasche mit meinem persönlichen Material gepackt habe geht’s um halb fünf wieder los auf ein vermeintlich kürzeres aber auch mit vielen Höhenmetern bestücktes nächstes Etappenteil.
Zur gelben Tasche möchte ich noch etwas sagen. Diese persönliche und mit Ersatzkleidern, Essen, Ersatzschuhen und allem notwendigen gefüllte Tasche wird jeweils von Hauptcheckpoint zu Hauptcheckpoint transportier. Nicht wie beim Munga Lauf kann man sich mit den nötigsten Dingen jeweils wieder aufpäppeln und so auch wieder bereit für den weiteren Weg machen. Eine gute Sache. Aber ich musste feststellen, dass ich viel zu viel eingepackt habe. Meinen Essensvorrat für die Verpflegung zwischen den einzelnen Posten war viel zu gross. Das hätte ich mir bei diesem perfekten Verpflegungskonzept sparen können.

 

Treuer Begleiter auf der Tour
Auch die ganze Unterstützung an den jeweiligen Checkpoints ist einmalig. Perfekte Schlaf- und Ruhemöglichkeiten. Food Stationen vom Feinsten. Ärzte und Sanitäter sind auf Wunsch sofort zur Stelle und auch einen Massagedienst, den ich zwar nie genutzt habe, steht zur Verfügung.
Ich laufe alleine los und irgendwann stösst Heinz dann auch wieder zu mir. Es macht nun richtig Spass mit jemandem zusammen zu laufen. Wir tauschen uns aus und irgendwie geht die Zeit so doch etwas schneller vorbei. Am Donnerstagmorgen um ca. 5 Uhr laufen wir in Cretaz (Valtournenche) ein. Nochmals zwei Stunden schlafen bevor es dann auf die 6. Etappe geht.
Zeit 5. Etappe            11:33 Std./Min.
 
Wo es hoch geht, da geht es sicher auch wieder runter!
 

6. Etappe Valtournenche – Ollomont                   48 km 4904 Höhenmeter
Nach einem kräftigen Frühstück mit Kaffee starten wir um 08.24 Uhr. Ich laufe etwas vor Heinz los er wird mich dann schon wieder einholen. Ich erlebte hier aber noch einen kleinen Schreckmoment. 100 Meter nach dem Start merke ich, dass meine Fotokamera weg ist. Shit, das darf nicht sein. Nochmals zurück und Gott sei Dank, beim Info Desk liegt meine Blaue Nikon. Hab sie wohl letzte Nacht irgendwie verlegt. Das Wetter ist immer noch perfekt und bis jetzt sind wir vor Regen und Schnee verschont geblieben. So kann es ruhig weitergehen. Wir laufen den ganzen Tag mehr oder weniger zusammen. Die Nacht von Donnerstag auf Freitag wird dann aber doch ganz speziell. Langsam macht sich die Müdigkeit bei uns beiden bemerkbar. Es war bereits wieder dunkel und Saukalt. Wie der Pass hiess weiss ich nicht mehr und wie ich da rauf gekommen bin ist mir wirklich ein Rätzel. Andauernd musste ich mich auf meine Stöcke abstützen weil mir beim Laufen die Augen zugefallen sind. Zum Glück war Heinz hinter mir. Es muss ein grauenhafter Anblick gewesen sein wie ich da im Zick Zack Schritt den Berg hochgekrochen bin. Oben angekommen durfte ich mich  kurz in der Box der beiden Staffmitglieder ausruhen und einen heissen Tee geniessen. Am liebsten hätte ich mich aber hingelegt und wäre in einen ewigen Schlaf gefallen. Dann ging es runter und zwar mega steil. Jetzt war ich plötzlich hellwach dafür hat Heinz seine Kriese geschoben. Irgendwie haben wir es dann aber doch bis nach Oyace  geschafft wo wir um 21.53 Uhr eingetroffen sind. Hier war noch einiges los, da gerade die Spitze des TOTDRET durchgelaufen ist. Es zeichnet diesen Lauf im Aostatal schon gewaltig aus, dass die Bevölkerung so enthusiastisch mitfiebert und das zu jeder Tages und Nachtzeit. Die Stimmung ist nicht nur in den Hütten sondern auch in allen Dörfern welche passiert werden einmalig. Der TOTDRET ist 130 km lang und mit 12`000 Höhenmeter gespickt. Start war in Gressoney und das Ziel ist ebenfalls in Courmayeur.
Wir machten uns dann aber nach einer kurzen Pause wieder auf den Weg Richtung Ollomont.
 
Bivacco Clermont mein Geheimtip
 
Irgendwann an diesem Tag, es war so gegen 16 Uhr kommen wir zu einer der gemütlichsten Hütten dieser Tour. Das Bivacco Clermont (2705 M.ü.M.) könnte doch glatt zum längeren Verweilen einladen. Höchstens 6 Personen haben am kleinen Tisch Platz und die Crew kocht für alle praktisch à la carte. Diese Teigwaren mit Butter und Parmesan waren ein Traum. 6 kleine Pritschen hätten noch zum Schlafen eingeladen aber wir haben uns dann doch schweren Herzens von der guten Stube getrennt und uns wieder auf die Socken gemacht. Zu Gemütlich soll es ja auch nicht werden.
Um 04.31 Uhr am Freitagmorgen sind wir Todmüde in Ollomont eingetroffen. Kurze Verpflegung und dann haben wir uns eigentlich vorgenommen 3 Stunden zu schlafen. In einem riesigen Zelt das mit einem Gebläse geheizt wurde bin ich dann sofort eingeschlafen. Nach etwa einer Stunde habe ich gemerkt, dass Heinz weil er so gefroren hat, sich wieder auf den Weg gemacht hat. Trotz Kälte habe ich mich einfach umgedreht und bin nach knapp 3 Stunden Schlaf aufgewacht. War praktisch alleine im Zelt, alle haben sich bereits wieder auf die Socken gemacht. Das Tasche packen hat mich dann doch etwas gestresst aber eigentlich war es das Beste für mich nach ein paar Stunden Schlaf nun wieder gestärkt und ausgeruht weiterzulaufen.
Zeit 6. Etappe            20:12 Std./Min.



Bald geschafft!
 
7. Etappe Ollomont – Courmayeur                                   50 km 4210 Höhenmeter
Noch 50 km, und nochmals 4210 Höhenmeter dann wäre es geschafft. Wäre! Aber irgendwie war es für mich nun klar. Meine Zeitreserve war gross genug. Jetzt werde ich es packen. Das lass ich mir nun nicht mehr nehmen. So lief ich dann los, alleine aber innerlich bereits sehr zufrieden und überzeugt es zu schaffen. Es folgten noch ein paar deftige Aufstiege aber mein Blick ging nun einfach nur noch voraus. Das Wettter war nicht mehr so schön, Wolken zogen auf und schlussendlich  musste ich noch 4 Stunden in strömenden Regen laufen. Aber das ging vorbei. Thomas der Stunden vor mir war, mussten noch über den letzten Pass den Col Malatra die Steigeisen an die Laufschuhe montieren.
Zum Glück ist mir das erspart geblieben. Doch ungemütlich war es schon so im Dauerregen und bei Kälte und Müdigkeit zu Laufen.

 
4 Stunden Regen damit konnte ich gut leben
 
In der Hütte Frassati konnte ich mich nochmals stärken und bereit machen für den letzten Pass, den Col Malatra (2936 M.ü.M.). In dem Augenblick als ich oben stand und runter geschaut habe, da wusste ich definitive, dass ich es schaffen werde.
 
Letzer grosser Aufstieg zum Col Malatra 2936 M.ü.M.

Das war die letzte grosse Herausforderung. Locker und gelöste laufe ich dann runter bis zum nächsten Posten. Mir wird bestätigt, dass es nur noch 15 km bis ins Ziel seien. Das ist doch nichts denke ich mir. Über 300 km hoch und runter, dann werde ich das wohl locker noch meistern. Ich weiss nicht, vielleicht muss es so sein nach solch einer Anstrengung. Die letzten 15 km waren Anstrengung und Stress pur. Es war dunkel. Ich sah Lichter und dachte jedes Mal das muss Courmayeur sein. Denkste. Plötzlich sehe ich viele Lichter und glaubte ein Dorf zu sehen. Ich hab einen Freudenschrei ausgestossen. Das Ziel. Nein, Pech gehabt. Irgendwann nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich zum letzten Checkpoint. Bertone. Ich esse eine Kleinigkeit und frage wie lang es noch bis ins Ziel sei. 1 ½ bis 2 Stunden, alles runter. Irgendwie bricht eine Welt für mich zusammen. Meine Füsse schmerzen nun sehr und jeder Schritt ist eine Qual.



Man fühlt sich sehr gut wenn man da rüber ist
Ich muss mich nun wirklich zusammenreissen, die letzten Kilometer schaffst du auch noch. Immer wieder sage ich mir das. Es ist eine Qual aber ich reisse mich zusammen. Endlich, endlich komme ich auf eine geteerte Strasse und es ist der lang ersehnte Zieleinlauf durch Courmayeur. Vor mir läuft ein anderer Läufer. Auch nicht mehr so ganz frisch. Eigentlich könnte ich ihn locker noch überholen. Doch das wäre nun wirklich nicht fair. Fast 340 km hätte ich Zeit gehabt ihn zu überholen. Auf den letzten Metern macht man das einfach nicht mehr. Das geht gegen meinen Anspruch von Fairness. Ich lasse ihm genügend Vorsprung, dass er seinen Zieleinlauf ohne Stress absolvieren kann.
Nun, da ich kurz vor dem Erreichen eines meiner grössten Laufzieles bin, läuft nochmals alles vor meinen Augen ab. Wieder, wie bereits bei Kilometer 300 kann ich meine Tränen nicht mehr zurück halten. Ein Gefühl von Freude und Dankbarkeit überkommt mich. Ich werde eines der grössten Laufabenteuer bestehen das ich mir gesetzt habe. Wie oft habe ich mir vorgestellt wie es sein könnte wenn ich es bis hierhin schaffe. Wie es sein wird durch Courmayeur zu laufen und die letzten Meter ins Ziel zu schaffen.
Ich richte mich nochmals auf und laufe dann erhobenen Hauptes nach 133 Stunden und ein paar Minuten glücklich und entspannt über die Ziellinie.
Diesen Moment werde ich sicher mein Leben lang nicht vergessen. Einfach Happy! Thomas und auch Heinz erwarten mich. Es ist einfach super, dass wir das alle geschafft haben.

Glückliche Finisher Heinz, Thomas, Ste
 

Siegerehrung und mein persönliches Resumé

 
Nach einem wohlverdienten Bier an der Bar und ein paar unruhigen Stunden Schlaf geniessen wir dann noch den folgenden Samstag. Mehrmals gehen wir in den Zielbereich und beklatschen die Kollegen die nun überglücklich und mit einem Strahlen im Gesicht innerhalb der geforderten 150 Stunden ins Ziel einlaufen. Allen ist die Freude buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
Ein letzter Höhepunkt sollte dann noch die Siegerehrung am Sonntag werden. Neben all den Erstplatzierten aus allen Kategorien wird jeder Finisher persönlich aufgerufen und darf vom ganzen OK Team die Glückwünsche entgegen nehmen. Mit einem gemeinsamen Foto aller Teilnehmer wird der  8. Tor des Géants dann abgeschlossen.

Der Tor des Géants war neben dem Munga Trail sicher meine absolut grösste Herausforderung der ich mich je gestellt habe. Ich bin nicht sicher ob es für mich noch eine Steigerung geben wird, und ich werde diese bestimmt auch nicht suchen.
Ich habe während den letzten 133 Stunden gekämpft, gelitten, geweint und es war x Mal einfach nur brutal hart und verdammt anstrengend – bis zum «es geht nicht mehr».  Aber ich habe auch die unglaubliche Solidarität, die Freundschaft und Hilfsbereitschaft von hunderten von Helfern und Freiwilligen erlebt, die immer ein Lachen oder ein gutes aufstellendes Wort für uns Läufer übrig hatten. Es gab tolle Gespräche und Begegnungen mit anderen Runnern die noch lange in guter Erinnerung bleiben werden. Das alles hat einem immer und immer wieder motiviert dran zu bleiben und weiter zu Laufen.

 
 
Ein einmaliger Lauf. Ich hab gesagt, dass ich ihn sicher nicht mehr Laufen werde. Das ist aber eine Aussage die ich korrigieren muss. Ich hab ihn geschafft. Nun kann ich ihn ohne Stress sicher noch ein zweites Mal in Angriff nehmen. Der Druck und die persönlichen Anforderungen an mich kann ich nun getrost ablegen und den TOR DES GEANTS ganz locker  vielleicht in zwei, drei Jahren nochmals entspannt versuchen zu bestehen. «Ich kann aber ich muss nicht mehr»! Und es wäre toll, wenn ich dieses Abenteuer zusammen mit guten Freunden teilen könnte.
Ein letztes Wort möchte ich noch zu einer speziellen Frage von vielen Kollegen und Kolleginnen sagen. Welches nun der härtere oder der strengere Lauf wäre. Ist es der TOR des Géants oder doch der Munga Trail der sich «the toughest race on earth» nennt?
Ich als sogenannter Hobby- bzw. Freizeitläufer kann diese Frage abschliessend nicht eindeutig beantworten. Für mich sind es klar zwei auf höchstem Niveau verschiedene anspruchsvolle Non Stopp Läufe, die jedem Runner sicher auf unterschiedlichste Art und Weise alles bis zum letzten abverlangen.
Eine ganz spezielle Herausforderung des Munga Trail ist die Streckenmarkierung. Während am TOR die Streckenführung perfekt und bis aufs Letzte ausgeschildert und markiert ist, ist die grosse Herausforderung des Munga Trail die Wegfindung via GPS Track. Für mich eine gewaltige Herausforderung die ich nicht mit letzter Perfektion und Sicherheit geschafft habe.
Andererseits verlangt einem der TOR mit seinen über 30`000 Höhenmetern das letzte ab an «up and down`s». Bei mir wie aber auch bei den Spitzenläufern ist irgendwann Schluss mit Rennen. Beim einen etwas früher als beim andern. Während beim Munga die Spitze das Renntempo über den grössten Teil der Strecke hoch halten kann hat es beim TOR viel mehr Kilometer die nur noch langsam laufend absolviert werden können.
Härter am Munga ist sicher auch, dass es keine Möglichkeit gibt die Kleider und Schuhe zu wechseln. Also, dass man keine Tasche mit persönlichen Utensilien auf die Tour mitgeben kann.
Schlussendlich halten sich die beiden Extrem Läufe aber mehr oder weniger die Waage. Für mich persönlich waren beide  «The toughest race on earth»

Ich bin dankbar ein Teil diese spannenden und einmaligen Rennen gewsen zu sein.
Danke sagen möchte ich zum Schluss allen die mich während dieser Woche unterstützt und mit SMS und Mails immer wieder motiviert haben. Allen meinen Laufkolleginnen und Laufkollegen mit denen ich viele tolle Trails in der Vorbereitungsphase absolvieren durfte.
Thomas und Heinz mit denen ich zusammen dieses Abenteuer teilen durfte.

Und einen ganz speziellen Dank richte ich an alle die mein Projekt in Südafrika mit einem Geldbetrag ein weiteres Mal unterstützt haben. Herzlichen Dank im Namen des Vereins  AYOBA und von mir.

 
 

 
«Du kennst Deine  Grenzen erst, wenn Du
über sie hinausgewachsen bist»

 
 
 Bilder des Veranstalters: https://www.flickr.com